Die Macbeths Morden wieder
Die erste Premiere der Spielzeit: Verdis "Macbeth"
Ehrgeizig sei sie gewesen, und: „brennend vor Verlangen nach dem Titel der Königin“, so heißt es in den Chronicles of England, Scotland and Ireland aus dem Jahr 1577, einem Traktat, das William Shakespeare als Quelle für sein Königsdrama Macbeth heranzog. Von wem ist da die Rede? Von Lady Macbeth, in die (Theater-)Geschichte eingegangen als blutrünstige Herrscherin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann 17 Jahre lang Schottland brutal regierte. William Shakespeare schuf aus dem Stoff ein Drama, das eine skrupellose Frau und ihren ihr unterlegenen, schwächeren Mann zeigt, inmitten von Hexenzauber und Wahrsagerei. Verdi wiederum, der zwar kein Englisch sprach, aber den von ihm so titulierten „Papa Shakespeare“ im Laufe seiner Komponistenkarriere immer wieder als Stofflieferanten heranziehen sollte, griff das blutige Sujet auf und wagte sich somit an seine erste Oper nach Shakespeare. Es sei „eine der größten Schöpfungen der Menschheit“, stellt Verdi im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Werk fest, wie er überhaupt Shakespeare als seinen Lieblingsdichter benannte. Vor allem der unverfälschte Blick in die menschliche Seele, die genaue psychologische Durcharbeitung der Figuren und die ebenso präzise, durch keine moralische Wertung beeinflusste Darstellung der Triebfedern und Handlungen faszinierte den Komponisten. Wobei sich hier die Arbeitsweisen Shakespeares und Verdis überschneiden: denn auch Verdi urteilte nicht, sondern stellte präzise dar, wie eine Figur „funktioniert“, zeigte ihre Befindlichkeit, ihr Innenleben – und erreichte damit einen Realismus, der die Personen der Handlung so zeitlos, unmittelbar und immer heutig macht.
Mit Macbeth fand Verdi zu einer ungemein dramatischen, in vielen Aspekten neuen Kompositionsweise. Er unternahm mit Macbeth genau genommen ein Stil-Experiment, mit dem er nicht nur reüssierte, sondern der italienischen Oper einen neuen Weg wies. So war die Aufwertung des Orchesters weg von der Begleitungsfunktion und hin zur partiellen Eigenständigkeit, die sich in klangmalerischer Expressivität ausdrückt, in Verdis Heimat ein Novum. Ebenso die Abkehr von Opern-Schablonen und die Hinwendung zu einem harten Realismus. Man denke nur an die berühmte Wahnsinnsszene der Lady Macbeth, die mit kargen akustischen Abläufen – etwa den wiederholten Rhythmen, den sich kaum entfaltenden Melodien – geradezu schon filmische Qualitäten besitzt. 1847 kam die Oper zur Uraufführung, war erfolgreich und wurde zum Lieblingswerk des Komponisten. Die Wiener Aufführungsgeschichte begann eher stockend und erst spät, 1933, unter Clemens Krauss, setzte die hiesige Akzeptanz des Werkes ein. Dafür aber mit Karacho! Dirigenten wie Krauss, Krips, Böhm, Sinopoli, Viotti, Mackerras leiteten das Werk, allein die Titelpartie gestalteten Interpreten wie Alfred Jerger, Paul Schöffler, Hans Hotter, Josef Metternich, Simon Estes, Sherill Milnes, Renato Bruson, Piero Cappuccilli, Franz Grundheber, Leo Nucci, Simon Keenlyside.
Am 5. Oktober steht nun ein neuer Macbeth auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper: Alain Altinoglu wird seine erste Staatsopern-Premiere leiten, Christian Räth übernimmt die Inszenierung. Es singen unter anderem George Petean (Macbeth), Ferruccio Furlanetto (Banquo), Tatiana Serjan (Lady Macbeth), Jorge de León (Macduff).
Oliver Láng
Giuseppe Verdi: MACBETH
Premiere:
04. Okt. 2015 | 18.30
Reprisen:
07. Okt. 2015 | 19.00
10. Okt. 2015 | 19.00
13. Okt. 2015 | 19.00
17. Okt. 2015 | 19.00
21. Okt. 2015 | 19.00
Besetzung
Alain Altinoglu | Dirigent
Christian Räth | Regie
Gary McCann | Ausstattung
Mark McCullough | Licht
Nina Dunn | Video
George Petean | Macbeth
Ferruccio Furlanetto | Banquo
Tatiana Serjan | Lady Macbeth
Jorge de Leon | Macduff
Jinxu Xiahou | Malcolm
Jongmin Park | Arzt / Diener Macbeths / Mörder
Donna Ellen | Kammerfrau