© Javier del Real

"Die Interpretation eines Künstlers ist sein Fingerabdruck"

Geschichte, man kann es an vielen Details nacherzählen, wiederholt sich. Etwa im englischen Glyndebourne. Dass es hier seit 1934 ein international renommiertes Festival gibt, ist nicht allein dem wohlhabenden Großgrundbesitzer und begeisterten Musikfreund John Christie zu verdanken, der in seinem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Landhaus schon davor zu musikalischen Soireen geladen hatte. Die Festivalgründung geschah vor allem auf Drängen seiner Gattin, Audrey Mildmay. 1931 hatte er die englisch-kanadische Sopranistin geheiratet und mit ihr die Festspiele in Bayreuth und Salzburg besucht. Aus den hier gewonnenen Erfahrungen schlug sie ihrem Gatten ein kleines Opernhaus mit 300 Sitzplätzen, ideal für Mozart, vor – und er erfüllte ihren Wunsch. Der Rest ist bekannt: Glyndebourne ist nicht mehr aus der internationalen Festspiellandschaft wegzudenken. Wobei längst nicht mehr allein Mozart die Programme ziert. Seit 2003 hat auch Wagner Einzug gehalten, zuvor zahlreiche Barockopern. Darunter 2005 Giulio Cesare von Händel, eine akklamierte Aufführungsserie mit der damals 26jährigen australisch-amerikanischen Sopranistin Danielle de Niese in der Rolle der Cleopatra, die sie dann auch 2006 und 2009 in dieser Inszenierung von David McVicar verkörperte.

Von einer „goldenen Chemie“ zwischen ihr und dem Regisseur schwärmt die lyrische Sopranistin noch heute, für die mittlerweile – und dies im wahrsten Wortsinn – Glyndebourne zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden ist. So wie der Festivalgründer John Christie eine amerikanische Sopranistin zur Frau wählte, machte dies nun auch sein mittlerweile als Festivalchef agierender Enkel Gus Christie: er heiratete 2009 Danielle de Niese, die von ihren Freunden und Kollegen „Danni“ genannt wird. Seitdem wohnen die beiden mit ihrem Sohn in Glyndebourne.

Begonnen hat die Karriere der 1979 in Australien geborenen Danielle de Niese, die mit elf Jahren mit ihren aus Sri Lanka gebürtigen Eltern nach Los Angeles übersiedelte, früh. Mit acht machte sie als jüngste Gewinnerin des australischen TV-Wettbewerbs „Young Talent Time“ von sich reden. Als Preis bekam sie neben Geld ein Klavier, das sie heute noch besitzt. In den Staaten trat sie regelmäßig im Fernsehen auf und bekam mit 16 einen Emmy Award. Bereits im Jahr davor feierte sie ihr Operndebüt an der Los Angeles Opera, wurde als jüngste Studentin ins Studio der New Yorker Met aufgenommen, wo sie, erst 19, im Jahr 1998 als Barbarina in einer von James Levine dirigierten Aufführung von Mozarts Le nozze di Figaro erstmals auftrat. An der Met war sie auch als Euridice in Glucks Orfeo ed Euridice, in der Titelpartie von Ravels L’enfant et les sortilèges, als Figaro-Susanna oder Cleopatra zu hören. Engagements führten sie an den Broadway und ins Filmstudio.

Früh zeigte sie Interesse am Barockrepertoire, womit sie auch in Wien, am Theater an der Wien, debütierte: 2011 als Rodelinda in Händels gleichnamiger Oper unter Nikolaus Harnoncourt. Zuletzt präsentierte sich die international renommierte Künstlerin, die Interpretation mit einem persönlichen Fingerabdruck vergleicht, hier im März 2016 als Poppea in Händels Agrippina. Mit einer Händel-Oper, Acis und Galathea, feierte sie seinerzeit auch ihr Debüt an Königlichen Opernhaus Covent Garden in London. An der Netherlands Oper trat sie in dem von Ingo Metzmacher dirigierten Mozart-Da Ponte-Zyklus als Figaro-Susanne und Despina auf.
Gastspiele brachten die charismatische Sängerin, die zuweilen als „Opera Pop Star“ apostrophiert wird, an die Bayerischen Staatsoper, die Hamburgische Staatsoper, das Teatro Regio in Turin oder das Opernhaus von San Francisco. 2015 gestaltete sie die Rolle der Roxane Cross bei der Uraufführung von Jimmy López’ Bel Canto an der Lyric Opera of Chicago. Zu den zahlreichen Dirigenten, mit denen sie im Konzert, in der Oper oder im Studio arbeitet, zählen Thomas Hengelbrock, Harry Bicket oder William Christie.

Im Juni kommt die Sopranistin, die ausdrücklich Kiri Te Kanawa und Frederica von Stade als Vorbilder nennt und es als wundervolles Geschenk sieht, wenn sie solche Persönlichkeiten auch privat kennen lernen darf, erstmals an die Wiener Staatsoper. Sie stellt sich hier in einer Rolle vor, mit der sie bereits 2014 beim Glyndebourne Festival begeistert gefeiert wurde und in der sie auch ihre stets hoch gelobten schauspielerischen Facetten zeigen kann: als Norina in Gaetano Donizettis ewig junger Parabel vom getäuschten Hagestolz Don Pasquale. Man darf auf ihren „Fingerabdruck“ in dieser Partie gespannt sein.

Walter Dobner


Don Pasquale | Gaetano Donizetti
9., 14., 16. Juni
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