Der Studienleiter

Vielbeschäftigt. Laufend organisierend. Allgegenwärtig. Als musikalischer Studienleiter ist Thomas Lausmann im Direktionsgang ebenso anzutreffen wie auf, vor und hinter der Bühne, in den Probensälen und der Mitarbeiterloge, ständig im Kontakt mit allen Sängerinnen und Sängern, den LeadingTeams und den Staatsopernmitarbeitern. So eng verwoben seine Funktion – naheliegenderweise – mit dem gesamten musikalischen Geschehen des Hauses ist, so präsent ist er auch bei einer Neuproduktion. Das fängt bei der Entscheidungsfindung an, welche Notenausgabe für eine Neuproduktion angeschafft werden soll. Gemeinsam mit dem Notenarchivar prüft er vorhandene oder am Markt erhältliche Ausgaben, macht dem Premierendirigenten Vorschläge. „Bei traditionell oft gespielten Stücken ist das keine große Sache“, meint Lausmann, „spannend wird es hingegen bei weniger häufig gegebenen Werke. Bei JanácˇekOpern etwa wurde vor Kurzem von einem Verlag eine Neuausgabe herausgebracht, die sich wesentlich von bisherigen Versionen unterscheidet. In solchen Fällen ist die Wahl des richtigen Notenmaterials von entscheidender Bedeutung.“

Ist die richtige Ausgabe gefunden und handelt es sich um ein weniger bis wenig, vielleicht sogar an der Staatsoper nie gespieltes Werk, dann erarbeitet der Studienleiter, zum Teil im Zusammenwirken mit seinen Kollegen, ein Register der Rollenprofile. Also: „Welche Stimmlage, welches Stimmfach, welcher Typ, welches Alter, welche besonderen Merkmale, die aus der Partitur hervorgehen liegen vor? Dazu recherchiere ich, ob und welche Hinweise es vom Komponisten gibt, was in der Fachliteratur steht, wie in vergleichbaren Häusern besetzt wurde. Am Schluss haben wir zu jeder Rolle eine genaue Beschreibung, aus der die besonderen Anforderungen hervorgehen. Nun ist zu entscheiden, ob wir den gesuchten Sänger, die gesuchte Sängerin im Ensemble haben oder ob man sich nach einem Gast umschauen muss.“ Handelt es sich um ein Werk, dessen Libretto in einer Sprache verfasst ist, die keiner der Staatsopern-Repetitoren beherrscht, so muss Thomas Lausmann im Vorfeld einen entsprechenden externen Korrepetitor finden, der während der Proben aushelfend tätig werden kann. Ebenso verhält es sich mit einem womöglich benötigten Tasteninstrumentarium: auch hier entscheidet der Studienleiter über bzw. organisiert erforderliche Instrumente. Der nächste Schritt gehört zum Wichtigsten und Elementarsten: die Einstudierung der Partien der Ensemblesänger, die er organisiert, zum Teil selbst übernimmt, und begleitet. „Dabei gibt es keinen Durschnittswert, wann konkret mit einem Sänger zu arbeiten angefangen werden muss. Bei kleineren Rollen reichen einige Monate, bei mittleren, schwierigen Partien benötigt man ein Jahr, bei Hauptrollen und komplexen Partien sogar darüber hinaus.“ Grundsätzlich ist der Studienleiter bei allen Vorbereitungen und Proben die Schnittstelle zum Dirigenten: So wird er in Fragen der Orchester- und Chorbesetzung ebenso konsultiert wie er während der Proben dem Premierendirigenten assistiert, Proben korrepetiert oder fallweise auch leitet. Zentrales Arbeitsgebiet ist auch die Mitarbeit am täglichen Probenplan einer Neuproduktion, aber auch die Kommunikation mit der Bühnenmusik. All das leitet über in die tagtäglichen Aufgaben des Studienleiters, die im Organisieren des musikalischen Betriebs, in der Vorausplanung und der laufenden Qualitätskontrolle liegen.

Oliver Láng