Gottfried von Einem

Der Schnitter Tod

Man muss sich vorstellen: Ein noch nicht einmal 30 Jahre junger Komponist – oder Componist, wie Gottfried von Einem sich selbst schrieb – bringt seine erste Oper gleich bei den Salzburger Festspielen zur Uraufführung (gegen erheblichen lokalen Widerstand, auch gegen jenen des im Hintergrund operierenden Herbert von Karajan) und erntet einen derartigen Triumph, dass er sich auf Anhieb einen Spitzenplatz im österreichischen wie internationalen Musikleben erringt (und ihn mit all den nachfolgenden Meisterwerken auch behauptet).

Was war geschehen, wie hatte es Einem geschafft, sich mit Dantons Tod sofort und bleibend in die Herzen der Zuschaurinnen und Zuschauer einzuschreiben – aber auch in die Herzen von Größen wie Toscanini, Fricsay, Paumgartner, Klemperer? Nun, er hatte einige für das Musiktheater wesentliche Faktoren in seinem Genie zusammengefasst: Die Vorlage, das Büchner’sche Drama, wurde nicht lediglich für die Opernbühne adaptiert, sondern für diese so ähnliche und doch anderen Gesetzen gehorchende Gattung neu erschaffen (hinsichtlich des Textes zusammen mit Einems Lehrer Boris Blacher), durchaus auch indem durch die inhaltliche Verknappung eine bewusst andere Stoßrichtung entstand: „Das Stück stellt in der Fatalität der Geschichte die Tragödie der Menschheit am Beispiel des Individuums dar, die Oper in der Fatalität der Geschichte die Tragödie des Individuums am Beispiel der Menschheit“, formulierte einst der Einem-Kenner Friedrich Saathen einen wesentlichsten Unterschied.

Auf jeden Fall verstand es Einem, und das ist ein weiterer Aspekt des Erfolges von Dantons Tod, das musikalische und theatralische Element so miteinander zu verschränken, dass das Publikum die dramatischen Begebenheiten auf musikalischem Weg optimal vermittelt bekommt. Das Werk ist, trotz der hochkomplex ersonnenen Partitur inklusive aller historischen wie kompositorischen Querverweise und mahnenden Botschaften, ein, die Sinne ansprechender und von diesen zu erfassender Wurf, wurzelnd in den im NS-Regime gemachten eigenen ernüchternden Erfahrungen hinsichtlich der Bestialität Einzelner und der mitleidlosen Brutalität der Masse. Das Auditorium wird von denselben, die Oper einleitenden, unbarmherzigen Akkorden in die Handlung hineingezogen mit denen es am Ende aus der Geschichte wieder entlassen wird – man kann sie im positiven Sinn als Aufruf und Warnung vor der Wiederholung ähnlicher Geschehnisse verstehen. Und diese ewige Aktualität macht Einems Dantons Tod zusätzlich unsterblich. 

Andreas Láng 


Gottfried von Einem
Dantons Tod

Premiere: 24. März 2018 
Reprisen: 27., 31. März, 3., 6., 9. April 2018 

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INHALT

1. Teil
Robespierre hat die Macht an sich gerissen und lässt unentwegt Gegner hinrichten. Sein einziger Gegner auf Augenhöhe ist Danton, der ihn persönlich aufsucht, um ihn von seinem brutalen politischen Kurs abzubringen – ohne Erfolg. Allerdings fühlt sich Robespierre durch die Kritik Dantons angegriffen und folgt daher dem Ratschlag des jungen Fanatikers St. Just, Danton und seine engsten Verbündeten, Hérault de Séchelles und Camille Desmoulins, festnehmen zu lassen. Obwohl Danton von der drohenden Verhaftung erfährt, weigert er sich zu fliehen. 

2. Teil
Danton und seine Freunde sind im Gefängnis. Auf die Hilfe der Massen, die ursprünglich hinter Danton gestanden sind, kann er sich nicht mehr verlassen – die offizielle Meinung beginnt sich gegen ihn zu wenden. Vor dem Revolutionstribunal kann er sich zwar gekonnt verteidigen, sodass er kurzzeitig wieder Oberhand gewinnt, doch St. Just gelingt es mit Hilfe von bezahlten Zeugen die Stimmung kippen zu lassen. Vor dem versammelten Volk werden Danton und seine Freunde guillotiniert. Desmoulins irrsinnig gewordene Gattin Lucile besiegelt, nach ihrem Lied vom Schnitter Tod, mit den Worten „Es lebe der König“ auch ihr eigenes Schicksal.