Der Eckstein: KS Heinz Zednik wird 75 Jahre
Heinz Zednik: Ein wenig der Inbegriff des Wienerischen Sängers, nein, besser: des Sänger-Schauspielers, der mit Stimme und Darstellung vor allem eines konnte und kann, nämlich Charaktere und Typen formen. Typen, die man aus dem eigenen Umfeld kennt, die man nach einem Opernabend mit nach Hause nimmt, die man schätzt oder auch nicht, die einen aber jedenfalls immer bewegen. Er sang zwar nie den Siegfried, doch war er weit mehr als so mancher Siegfried, der tapfer seine Töne stemmt. Er war Mime, leibhaftig Mime, nicht irgendeiner, sondern der Mime schlechthin. Seit Heinz Zednik mit dem Regisseur Patrice Chéreau und dem Dirigenten Pierre Boulez in den 70ern in Bayreuth diese Partie erarbeitete, gehört sie zu den erinnerungswürdigen Bühnenfiguren. Es ist das Schicksal seiner Nachfolger, immer ein wenig mit ihm gemessen zu werden, sich immer ein wenig von ihm abgrenzen zu müssen, es ist wohl auch sein Stolz, dass es nun für Charaktertenöre das sogenanne Zednik-Fach gibt ... Doch nicht nur Mime, auch Wenzel aus der Verkauften Braut gehörte zu seinen Partien, auch Pedrillo, Incroyable, Herodes, Basilio: alles echte, pralle Theaterfiguren. Bis heute, denn ganz kann er von der Bühne nicht lassen und war etwa an der Wiener Staatsoper zuletzt als prachtvoller und komischer Hahn im Schlauen Füchslein von Leoš Janáček zu erleben.
Das kommt freilich nicht von ungefähr. Es ist die richtige Mischung aus Stimme und Schauspiel, die gelungene Kombination, die auch darin besteht, dass keine der beiden Seiten die andere behindert. Hingebungsvoll widmet er sich der Darstellung seiner Partien, und eine solche Hingabe muss freilich gute Wurzeln haben, um wirklich gedeihen zu können. Zednik für seinen Teil bringt zu allererst einmal genetisch das mit, was einen Wiener Vollblutmusiker ausmacht. Nämlich eine Handvoll Vorfahren aus dem Böhmischen, aus Niederösterreich, der Steiermark und auch Wien, einige musische Vorfahren wie den Ururgroßonkel Johann Herbeck, der 1869, bei der Eröffnung des neuen Hauses der Wiener Staatsoper, den Don Juan sang. Eine „echte altösterreichische Mischung“ beschreibt er in seiner Autobiografie Mein Opernleben diese Abstammungsbuntheit, und wie so oft liegt wohl auch in dieser Monarchiemischung ein Ansatz zu seiner späteren Begabung. Ohne von diesem Ansatz recht zu wissen, wurde der noch junge Heinz Zednik von der Bühne, der Darstellung, auch Selbstdarstellung von klein auf über alle Maßen gelockt. Schon in früher Jugend schätzte er das Theaterspielen in der Schule bei den Piaristen, stand gerne auf der Bühne des CalasanzSaales, schrieb das eine oder andere Theaterstück, spielte geduldigen Großeltern Szenen vor. Und was beeindruckte ihn bei Geschäftsreisen, die er später mit seinem Vater absolvierte, besonders? Das Wie bei den Verkaufsgesprächen, das schauspielerische Element, das sein Vater in diese einbrachte, der Unterhaltungsfaktor, der durchaus seinen Platz fand. Schließlich folgte das Schlüsselerlebnis, wie so oft, bei einer Nachmittagsvorstellung einer vermeintlichen Kindervorstellung: Hänsel und Gretel, in der Volksoper gegeben, faszinierte das interessierte Kind über die Maßen – und es stand somit fest: „Das, was die Onkeln und Tanten da vorne machen, das möcht’ ich auch einmal tun“.
Er tat es, und er tat noch mehr. Er widmete sich nicht nur der Oper, die ihn rund um die Welt bringen sollte, von der Met bis zur Scala, sondern auch dem Liedgesang, dem Wienerliedgesang, vor allem aber der Komposition von Liederabenden; gut zusammengestellt, mit Raritäten versehen, in der Gestaltung spannend. Er erschloss sich aber auch die Welt des Films und des Fernsehens, einerseits in Opernfilmen, andererseits in Shows und in filmischen Portraits, die er liebevoll über Kollegen gestaltete. Und Heinz Zednik setzte auch das um, was er sich bei seinen inszenatorischen Lehrmeistern abgeschaut hatte. Er führte in späteren Jahren sogar Regie, erprobte sich an der einen oder anderen szenischen Produktion: denn wenn man so lange auf der Bühne gestanden ist, dann reizt es einen doch auch sehr, einmal vor einer Bühne zu stehen. Zentrum dieses reichen Opernlebens blieb immer Wien, besonders die Wiener Staatsoper. Für diese gestaltete er 102 Partien in 68 Werken, trat insgesamt 1923 mal auf. Und wurde für Jahrzehnte zu einem Eckstein des Hauses am Ring.
Oliver Láng
Heinz Zedniks wichtigste Staatsopern-Partien:
Incroyable (Andrea Chénier): 42mal
Schuiskij (Boris Godunow): 28mal
Andrés/Cochenille/Frantz/Pitichinaccio (Les Contes d’Hoffmann): 67mal
Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail): 37mal
Dr. Cajus (Falstaff): 40mal
Jaquino (Fidelio): 31mal
Eisenstein (Die Fledermaus): 27mal
Steuermann (Der fliegende Holländer): 34mal
David (Die Meistersinger von Nürnberg): 15mal
Don Basilio (Le nozze di Figaro): 146mal
Loge (Das Rheingold): 10mal
Mime (Das Rheingold): 25mal
Mime (Siegfried): 31mal
Valzacchi (Der Rosenkavalier): 73mal
Traumfresserchen (Das Traumfresserchen): 24mal
Wenzel (Die verkaufte Braut): 44mal
Monostatos (Die Zauberflöte): 56mal