Das Staatsopernorchester: Schlagwerker Thomas Lechner
Manchmal ist es von Anfang an klar. Von Anfang an: Das ist beim philharmonischen Schlagwerker Thomas Lechner wirklich der denkbar früheste Zeitpunkt gewesen, nämlich das Alter von vier Jahren. Da erlebte er auf einer Almwanderung einen Schlagzeuger, und schon war es um ihn geschehen. Schlagwerk musste es sein, komme was wolle. Und egal was die Eltern sagen! Den Eltern war die Musik freilich nicht nur sehr recht, sondern ein Anliegen, hatte der Großvater doch die Bauernmusikkapelle Bischofshofen gegründet, der der Vater 25 Jahre lang vorstand. Aber muss es das Schlagwerk sein? Man griff zu Finten, verbot dem Knirps in der Hoffnung auf den natürlichen Neugierzugriff unter allen Umständen, die Trompete, das heimliche Wunschinstrument des Vaters, anzurühren. Aber – nein. Nicht einmal das Verbotene konnte ihn reizen und vom Weg abbringen. Was dann folgte, liest sich wie eine klassische philharmonische Erfolgsgeschichte: Ab sechs lernt er offiziell Schlagwerk, zuerst in der heimischen Musikschule, dann Brucknerkonservatorium Linz, Konservatorium Wien, Meisterklassen. Dazu Stipendien (wie das Hochbegabtenstipendium der Sparkasse Oberösterreich) und Auszeichnungen sowie ein Weg durch die unterschiedlichsten Ensembles: Symphonisches Landesblasorchester Salzburg, European Philharmonic Orchestra, Jeunesse Orchester Wien, Bruckner Orchester, Wiener Volksoper und schließlich: das Staatsopernorchester, für das er 2007 das Probespiel gewann.
Gute drei Jahre habe er gebraucht, erzählt Lechner, bis er den sicheren Überblick über das Opern- und Ballett-Repertoire des Hauses gewonnen habe und jede Partie in jedem Werk mehr oder weniger aus dem Stand beherrscht. Denn Schlagwerk ist nicht gleich Schlagwerk. Innerhalb eines Musiktheaterwerkes gibt es oft mehrere Schlagwerkpartien auf unterschiedlichen Instrumenten, die jeder einzelne Musiker beherrschen muss. Das bedeutet in der Praxis, dass zum Beispiel in der Salome sieben verschiedene Partien zu lernen und zu können sind – wer am betreffenden Abend was spielt, macht man sich kurzfristig aus. Für die Vorbereitung benötigt es, anders als bei vielen anderen Instrumenten, nicht nur die eigene Stimme, sondern auch eine Partitur, um auch das Rundherum entsprechend gut zu kennen. Und nicht zuletzt liegt eine der Herausforderungen in dem Beruf darin, mit dem schier unüberschaubaren Instrumentenarsenal – Zählungen sprechen von bis zu 5000 Einzelinstrumenten, die alle in das Fach Schlagwerk fallen – umgehen zu können. Und im Falle des Falles auch Exotisches wie eine „Lotusflöte“ zu beherrschen, berichtet Lechner.
Das Schlagwerk ist, schon aufgrund seiner besonderen klanglichen Exponiertheit, zumeist ein Soloinstrument. „Wir spielen zwar weniger Noten als die Streicher, sind aber praktisch immer deutlich hörbar. Wenn ein Schlag also nicht passt, fallen wir entsprechend auf. Manchmal wartet man eine halbe Stunde auf einen Einsatz und hat dann einen Ton. Dieser, und das ist auch eine Herausforderung, muss sich in den Spielfluss einfügen, gewissermaßen ohne Anlauf. Und man bekommt keine zweite Chance.“ Ob er nach einer längeren Wartezeit vor einem solchen Einsatz nervös ist? Lechner: „Nicht nervös, aber eine positive Spannung baut sich sicherlich auf.“ Wieweit das Schlagwerk ein Impulsgeber ist oder Impulse übernimmt, ist „situationsabhängig und kann sogar von Abend zu Abend variieren.“ Mitunter kann ein Schlagwerker versuchen, wenn etwas im Ensemble aus den Fugen gerät, mit einem kräftigeren Impuls alles wieder ins Lot zu bringen. Oder, meint Lechner, „man spürt, dass das an dieser Stelle sogar störend wäre und nimmt sich dann bewusst zurück. Was das jeweils Richtige ist, kann man nur durch Intuition und Erfahrung herausfinden.“ Dass das Schlagwerk in den letzten Jahren einen Boom erlebt hat und einzelne Konzerte vor ausverkauften Sälen gespielt werden, freut ihn. „Diese Entwicklung ist schön, weil der Bekanntheitsgrad des Instruments so deutlich größer wird. Wobei es mir auch ein Anliegen ist, dass das Schlagwerk als Musikinstrument wahrgenommen werden soll und für mich der Schneller-Höher-Lauter-Aspekt überhaupt nicht relevant ist. Denn das ist in unserer Gesellschaft sowieso schon ausreichend verankert!“ Ein Aspekt, den er auch als Lehrer (er hat ab September eine Professur in Graz) weitergeben möchte. Wie auch die Begeisterung für das Instrument, die ihn seit seinem vierten Lebensjahr vorantreibt.
Oliver Láng