Das Staatsopernorchester: Flötist Günter Federsel
Eigentlich hätte er ja Violine lernen sollen, zumindest, wenn es nach den Eltern gegangen wäre. Aber daraus wurde nichts: Günter Federsel entschied sich für die Querflöte, sozusagen als Ausdruck einer persönlichen kleinen Revolution – dass er überhaupt ein Instrument spielen würde, war allerdings klar und durch die große Liebe zur Musik, die er von Kindesbeinen an verspürte, vorgezeichnet. Seine Hartnäckigkeit überzeugte schließlich Vater und Mutter, die das „notwendige Geld für eine entsprechende Flöte, die damals noch sehr teuer war, zusammenkratzten, um dem Sohn den Wunsch erfüllen zu können.“ Das kurz darauf vom ersten Flötenlehrer attestierte Urteil, dass „der Bub Talent hätte“,
bestätigte dann die Richtigkeit der Entscheidung ebenso, wie seine schnellen Fortschritte. Bereits mit 18 Jahren, also noch vor dem Studienabschluss, gewann Günter Federsel eine freigewordene Stelle beim damaligen Bühnenorchester der Österreichischen Bundestheater. Die nun folgenden Musiker-Dienste führten ihn an das Burgtheater, an die Volksoper, aber auch an die Wiener Staatsoper und hier wiederum – das war Bestandteil des Vertrages – immer wieder in den Graben, wo er im Staatsopernorchester als Substitut aushalf. Dadurch konnte er das Haus, den Musikerberuf in diesem Haus sowie das Repertoire kennenlernen, und als er dann knapp zehn Jahre später das Probespiel ins Staatsopernorchester gewann, war er dem philharmonischen Klangkörper bereits so verbunden, dass er gefühlsmäßig praktisch nach Hause kam, oder, wie er es selbst formuliert: „Ich wusste, was auf mich zukam und meine Kollegen wussten, was durch mich auf sie zukam.“
Obwohl seither mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen ist, konnte sich Günter Federsel bis heute die Spielfreude, überhaupt die Freude an diesem Beruf ungetrübt erhalten. Mehr noch. Gab es am Beginn einige Werke oder Komponisten, die ihm weniger mundeten, steht er mittlerweile nahezu dem gesamten Repertoire mit Hochachtung gegenüber. Freilich, die ganz besonderen Lieblinge sind bis heute dieselben geblieben: Nach wie vor zählen Strawinski, Schostakowitsch, die klassische Moderne zu seinem musikalischen Leibgericht. Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk etwa, in der er den herausfordernden Part der Piccoloflöte spielt, könnte für Günter Federsel gar nicht oft genug am Spielplan stehen. Aber auch Bach respektive die Barockmusik an sich nahm immer schon eine Favoritenrolle für ihn ein. Folgerichtig besitzt er auch eine wirkliche Holzflöte, die er im Bedarfsfall spielt, denn „für die Barockmusik ist dieser weiche, warme, wohlige Klang der Holzflöte genau das richtige.“
Wenn es nun schon seit langem, im Gegensatz zur Wiener Oboe oder zum Wiener Horn, keine Wiener Flöte gibt, so existiert dennoch der typische Wiener Klang des Staatsopernorchesters respektive der Wiener Philharmoniker auch für und durch die Flöte. Ziel dieses Klanges wäre so Federsel, „ein schöner, runder, großer natürlicher Ton ohne Kraft und Forcierung, so wie es die ganz großen Sänger – zum Beispiel Freni, Domingo, Pavarotti, Carreras und jetzt Netrebko – vormachen. Überhaupt sind Sänger für uns ein ewiges Leitbild in der Klangerzeugung.“ Kein Wunder also, wenn die einzelnen Musiker im Graben im Zweifelsfall eher dem Sänger als dem Dirigenten folgen …
Selbstverständlich spielt Günter Federsel, der unter all den wichtigen Pultgiganten der letzten Jahrzehnte auftreten durfte, neben den Staatsoperndiensten und den philharmonischen Diensten auch Kammermusik: „weil das Aufeinanderhören und gemeinsame Musizieren in diesen kleinen Formationen auf geradezu ideale Weise trainiert wird, was letztlich wieder dem Orchesterspiel zugutekommt.“ In „Fachkreisen stadtbekannt“ ist die sorgfältige Pflege, die Günter Federsel seinen Flöten zukommen lässt. Nach jeder Vorstellung und Probe wird das Instrument liebevoll und ausdauernd gereinigt, wobei er oft falsch verstanden wird. Denn „das Putzen selbst“ mag er in Wahrheit gar nicht so sehr. „Aber wenn ich am nächsten Tag die Flöte hervor nehme, und sie so wunderschön und makellos glänzend in meinen Händen liegt, dann spiele ich bereits den ersten Ton mit einem erhebenden, unvergleichlichen Hochgefühl.“