Das Staatsopernorchester: Cellistin Ursula Wex
Schöne Schlusssätze schenkt sie nicht einfach her. Nur so dahinsagen, ohne es auch zu meinen, in den Raum stellen, ohne dahinter zu stehen: das ist nicht ihres. Vielleicht liegt es am, den Westösterreichern oftmals nachgesagten, geradlinigen Naturell, jedenfalls macht sie es sich nicht einfach. Und so folgt auf die Frage, ob Musik einen besseren Menschen aus einem machen kann, kein banales „ja“, sondern ein zweifelndes „nein“, oder genauer ein: „Ich glaube nicht, dass sie den Menschen so weit verändern kann.“ Und dabei ist Ursula Wex, Cellistin im Staatsopernorchester und bei den Wiener Philharmonikern, eine, die intensiv an die Kraft der Musik glaubt, nur eben nicht im Sinne eines romantisierenden, hinterfragungsfreien Zugangs. Dass sie dies tut, wird nicht nur offensichtlich durch ihre Berufswahl dokumentiert, sondern auch durch eine Art „Nebenberuf“, als Leiterin der Musikwerkstatt Ober St. Veit. Diese ist eine private Musik-, bzw. Instrumentalausbildungsstätte, in der Musik auf pädagogisch zeitgemäßem Niveau vermittelt werden soll. „In der heutigen Zeit wird Kultur oft auf Null reduziert“, erzählt Wex. „Wien nennt sich die Stadt der Musik, aber das wird oft nicht so gehandhabt. Deswegen möchte ich junge Menschen an die Musik heranführen, am besten alle, nicht nur die Hochbegabten.“ Es geht ihr dabei ums „Ganze“, denn: „Musizieren schult nicht nur das Gehirn und Gefühl, sondern hat auch einen sozialen Aspekt. Beim gemeinsamen Musizieren lernen die Kinder auch, miteinander umzugehen.“
Im Staatsopern-Orchester, in dem Ursula Wex seit 2003 spielt, erlebt sie tagtäglich dieses gemeinsame Arbeiten. „Das Orchester ist ein guter Schnitt durch die Gesellschaft, in allen Belangen. Man erlebt alles. Dieses „alles“ wird verbunden durch ein gemeinsames Ziel, nämlich: gute Musik zu produzieren, ein Ziel, zu dem man sich halt zusammenraufen muss, so Wex. Das Zusammenraufen wiederum wird erleichtert durch eine Eigenschaft, die alle Musikerinnen und Musiker dieses Klangkörpers miteinander verbindet: das Musikantentum. „Andere Orchester haben Musiker, wir haben Musikanten – im positivsten Sinn!“ Für die Cellistin ein zentraler Begriff, der auch durch ihre Biografie bedingt wird: Musikantentum, das hängt mit der Volks- und Hausmusik zusammen, in der ihre künstlerischen Wurzeln liegen. In Tirol kam sie „ganz natürlich“ in ihrer Familie mit Musik in Kontakt, lernte neben Flöte auch – spät! – Cello, anfangs noch ohne den expliziten Wunsch, Profimusikerin zu werden. Sie besuchte das Musikgymnasium, wollte Lehrerin werden, übte nicht gern, bis es sie nach Berlin verschlug, wo sie sich mit dem Cello-Spiel ihren Lebensunterhalt verdiente. „Und wenn man daraus leben muss, ist die Situation eine andere!“ Eine andere Situation, das bedeutet: intensives, konzentriertes Üben, und da ihr auch (wie sie bescheiden feststellt) ein „wenig Talent in die Wiege gelegt worden war“, führte eines zum anderen. „Nachdem Ursula Wex Stipendiatin an der damals von Christian Thielemann geleiteten Deutschen Oper Berlin und Akademistin an der Staatsoper Berlin unter Daniel Barenboim gewesen war, wurde sie nach einem erfolgreichen Probespiel per 1. September 2003 in die Cellogruppe des Orchesters der Wiener Staatsoper aufgenommen,“ zeichnet die offizielle Philharmoniker-Biografie ihren Lebensweg nach. Doch hinter den förmlichen Worten verbirgt sich eine eher untypische Laufbahn. Anders als viele andere Kollegen trat sie als Unbekannte beim Probespiel an, hatte also keinen philharmonischen Lehrer, war nicht zuvor Substitutin gewesen. Ein Nachteil? Für Wex persönlich ein Vorteil: „So war ich gewissermaßen unbelastet, hatte keine Erwartungshaltungen und konnte lockerer in die Sache hineingehen als andere.
“Was nun ist aber das Musikantische im Orchesterspiel? „Es geht nicht darum, dass jeder für sich selbst herumimprovisiert, sondern um die Entwicklung eines Klanges. Wenn man bestrebt ist, für sich und die Situation den idealen Klang zu finden – dann ist das musikantisch. Und im Rahmen dieses Bestrebens hat jeder und jede von uns eine gewisse Freiheit.“ Wichtig scheint ihr dabei, auch nach Jahren im Orchestergraben seine Offenheit zu bewahren, denn: „Lernen kann man immer und von jedem.“ Und so lernt sie auch heute weiter, besonders auch von den großen Sängern auf der Staatsopern-Bühne. „Man kann sich vieles von der Atemtechnik, von der Phrasierung abschauen. Wir Streicher verlieren das Gefühl dafür manchmal ein wenig, aber was eine Garancˇa, eine Netrebko machen, wie sie es machen: da kann ich viel lernen!“ Alles in allem ein Beruf, in dem Ursula Wex, übrigens eine erklärte Orchestermusikerin, aufgeht. Denn: „Das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich die Leidenschaft, die ich für die Musik empfinde, zu meinem Beruf machen konnte. Und nicht nur als Hobby betreibe.“ Also doch ein schöner Schlusssatz!
Oliver Láng