Caroline Wenborne im Portrait

Über ein Stipendium der Opera Foundation Australia kam Caroline Wenborne 2007 an die Wiener Staatsoper – bewährte sich und wurde ins Ensemble aufgenommen. Mittlerweile hat sie im Haus am Ring rund 190 Vorstellungen absolviert

(nicht eingerechnet die Kinderopernauftritte und diverse Matineen) und konnte sogar schon mit einer spektakulären Rettungsaktion von sich reden machen: Als Barbara Frittoli krankheitsbedingt eine Così fan tutte-Vorstellung abbrechen musste, eilte Caroline Wenborne sofort in die Oper, sprang ein, sang den noch ausstehenden 2. Akt und siegte auf allen Ebenen – zu Recht wurde ihre Fiordiligi triumphal gefeiert. (Jüngst sang sie die Partie übrigens als Gast in einer Neuproduktion an der Wiener Volksoper.) „Es war merkwürdig“, erinnert sich die Sopranistin, „irgendwie schien es mir, als ob ich mich während dieser Aufführung die ganze Zeit als dritte Person von außen beobachtet hätte, als ob ich nicht

in meinem Körper gesteckt wäre. Aber solche Situationen sind insofern wichtig, als man erkennt, zu welchen Höchstleistungen man im Notfall tatsächlich in der Lage ist.“

Dass sie einst solche adrenalingesättigten Abende absolvieren würde, hätte Caroline Wenborne in ihrer Kindheit wohl kaum erträumt oder gar erwartet. Überhaupt kam es erst relativ spät zum ersten wirklichen Kontakt zur klassischen Musik, wenn auch die Liebe zur Musik an sich, zum Tanz, zum Schauspiel immer schon vorherrschend war. Doch eines Tages entdeckte sie die Welt der Oper für sich – offenbar dauerhaft und nicht nur als Zuschauerin, sondern als Interpretin. „Ich habe mir gedacht: warum soll ich nicht diesen Weg versuchen – und es hat geklappt!“ Ihr erstes Stipendium führte sie an das Kölner Opernstudio, ein weiteres – wie erwähnt – nach Wien, wobei Österreich ein ganz klein bisschen schon immer so etwas wie eine unbekannte Heimat für sie darstellte – schließlich war eine ihrer Urgroßmütter eine gebürtige Steirerin. Genauer eine Grazerin namens Karoline und Wenbornes Vorname Caroline erinnert unter anderem

an diese Wurzeln.

Nichtsdestotrotz kommt gelegentlich so etwas wie Heimweh in ihr auf, Sehnsucht nach der Familie und Sehnsucht nach dem Ozean. „Zu Hause in Sydney war das Meer praktisch vor der Haustüre. Also wenn ich eine Verbesserung vorschlagen dürfte: Österreich, oder noch besser Wien müsste ans Meer rücken! Es wäre so fantastisch, wenn man zwischen den Proben zum Strand hinunterlaufen könnte“, scherzt die Sängerin. Und so freut sie sich jedes Jahr, die beiden Sommermonate (die in Australien Wintermonate sind) in ihrer Heimat verbringen zu können. „Dort singe ich einige Wochen lang keinen Ton und bin nicht Opernsängerin, sondern Tochter, Schwester und Tante. Diese Auszeit vergrößert dann andererseits wieder meine Liebe zum Beruf, sodass ich es Ende August fast nicht mehr erwarten kann, endlich wieder die Bühne der Wiener Staatsoper betreten zu können.“

Wenborne weiß, was sie an der Staatsoper hat, an den Kollegen, an diesem Orchester; sie weiß auch, was sie an diesem Beruf hat, und selbst wenn das Leben,

die Tagesabläufe einer Sängerin mit den Korrepetitionsstunden, Proben und Vorstellungen natürlich etwas aus der Reihe tanzen – einen alternativen Beruf könnte sie sich auf keinen Fall vorstellen. In ihrer Freizeit – viel hat sie davon während des Jahres verständlicherweise nicht – geht sie gerne mit Freunden tanzen. Vor allem die südamerikanischen Rhythmen, und hier wieder speziell der Tango, haben es ihr angetan – kein Wunder, stammen die Eltern doch aus Chile und auch sie selbst hat in ihrer Kindheit einige Jahre in Chile verbracht, sodass sie praktisch „zwei Muttersprachen“ besitzt: Englisch sowie Spanisch – inzwischen kommen noch ausgezeichnete Deutschkenntnis hinzu. Zu ihren liebsten Komponisten zählen die großen fünf der Opernliteratur: Mozart, Verdi, Wagner, Strauss und Puccini, wobei sie bereits einige der wichtigen Rollen dieses Repertoires einstudiert oder zumindest angedacht hat: Elsa und Tannhäuser-

Elisabeth sind bereits gelernt, ebenso Desdemona und Carlo-Elisabeth, Arabella hat sie schon „etwas angeschaut“ und als Gutrune, die sie 2008 bei der jüngsten Götterdämmerung-Premiere verkörperte, steht sie im aktuellen Ring-Zyklus unter Simon Rattle im Juni ohnehin erneut auf der Bühne.

Dass sie nun schon zum engeren Kreis des Staatsopernensembles gehört, sozusagen zur Familie, sieht man unter anderem an ihrer geplanten Mitwirkung bei einem der Matineen im Rahmen der Kammermusikkonzerte der Wiener Philharmoniker im Gustav Mahler-Saal in der kommenden Saison: und wer von Philharmonikern zum gemeinsamen Musizieren eingeladen wird, der darf durchaus etwas auf sich halten!

Andreas Láng