Bunt, Fantasieanregend, Bilderreich
Unter den zahlreichen Rollen mit denen Ensemblemitglied Bryony Dwyer vor das Staatsopernpublikum tritt – zuletzt u.a. als Musetta – finden sich auch eine Reihe von Hauptpartien in Kinderopern. So zum Beispiel die Titelpartie in der nun anstehenden Persinette-Weltpremiere. Und damit ist man automatisch auch schon bei Matthias von Stegmann, einem de facto Universalkünstler im Theater- und Filmbereich: Denn für die Wiener Staatsoper wird dieser international gefeierte Schauspieler, Synchronsprecher, Dialogbuchautor, Synchronregisseur, Autor und Opernregisseur nach der Kultproduktion Wagners Nibelungenring für Kinder (2007) und Pünktchen und Anton (2010) mit besagter Persinette im Haus am Ring bereits zum dritten Mal eine Inszenierung vorstellen. Knapp vor Beginn der szenischen Proben gab es Zeit für ein Gespräch mit beiden – mit der Protagonistin und dem Regisseur.
Die Staatsoper zeigt Kinderopern sowohl in eigens dafür vorgesehenen kleineren Spielstätten als auch auf der großen Bühne. Wo liegt der Unterschied in der Herangehensweise, gibt es überhaupt einen Unterschied für die Interpreten?
Matthias von Stegmann: Je kleiner die Bühne, desto detailverliebter darf oder muss die Inszenierung sein – aber genau die kleinen Gesten oder einzelnen Blicke, die hier vonnöten sind, werden in einem größeren Haus schon ab der dritten Reihe nicht mehr wahrgenommen. Dort geht es dann unter anderem darum, ohne natürlich Effekthascherei zu betreiben, einerseits auf große visuelle Eindrücke zu setzen und andererseits darum, Mut aufzubringen, die Musik noch intensiver sprechen und atmen zu lassen. Meine Erfahrung ist übrigens, dass interessanterweise größere Säle zu einer größeren Konzentration im Publikum beitragen – wohl aus Ehrfurcht vor der Raum setzt mit dem magischen Dunkelwerden vor Beginn der Vorstellung zugleich eine viel stärkere Fokussierung auf das Geschehen ein ...
Bryony Dwyer: ... und die kann bei Kindern im Idealfall einen exorbitant hohen Grad erreichen – falls man sie bei der Stange hält, sie bannen kann. Der kleinste atmosphärische Fehler führt hingegen schon dazu, sie sofort vollständig zu verlieren: lauwarm gibt es nicht! Kinder reagieren deutlich sensibler und ehrlicher auf das Gebotene, sind in Wahrheit viel feinere Gradmesser für die Qualität des theatralen Elements als Erwachsene. Das ist einerseits ungemein herausfordernd, kann aber andererseits zutiefst beglückend sein, zumal wenn man spürt, wie das junge Publikum, stets augenblicklich reagierend, mit einem mitgeht. Aber das gilt für die kleine Bühne ebenso wie für die große.
Frau Dwyer, Sie erarbeiten schon seit Wochen mit dem Komponisten Ihre Partie. Wie läuft so eine Einzelstimmprobe ab? Ist er streng, lässt er im Zweifelsfall mit sich reden? Ist man aufgeregt?
Bryony Dwyer: (lacht) Ich kenne ihn ja schon seit einigen Jahren als Solorepetitor der Staatsoper, bin also nicht allzu aufgeregt. Außerdem ist er auch in Bezug auf sein Werk sehr offen. Als ich ihn zum Beispiel um die Erlaubnis bat, an einer Stelle ein Portamento machen zu dürfen, hat er nicht nur zugestimmt, sondern ganz euphorisch festgestellt, dass er Portamenti ohnehin sehr lieben würde.
Und wie darf man sich die Musik vorstellen?
Bryony Dwyer: Sie ist wunderschön, voller Magie und arbeitet mit den Charakteren zugeordneten Leitmotiven. Darüber hinaus haben die Melodien etwas Ohrwurmhaftes, bleiben also in der Erinnerung haften und sprechen den Hörer emotional sehr unmittelbar an. Meine Partie selbst ist recht herausfordernd, hat schöne Höhen – bis hinauf zum hohen C – und geht gelegentlich etwas ins stimmlich Dramatischere – eine für mich sehr erfreuliche Erfahrung.
Inwieweit beeinflusst der Charakter der Musik Ihre Regiearbeit – auf welche Weise ist zum Beispiel dieses von Frau Dwyer angesprochene Magische ein Thema?
Matthias von Stegmann: Da das zentrale Stilmittel der Oper die Musik ist, muss sie auch die Basis für die Konzeption der Inszenierung, für den ästhetischen Entwurf sein. Demnach haben wir im aktuellen Fall versucht eine Bildwelt zu schaffen, die dieser insgesamt doch recht romantischen – und ja, magischen – Klangwelt entspricht. Es wird bunt, fantasieanregend, bilderreich werden und ich habe aus meiner eigenen Kinderzeit das äußerst flexible System der Bausteine in die Produktion herübergerettet ... auf jeden Fall werden wir sehr vieles auf eher ungewöhnliche, vollkommen neuartige optische Weise lösen, erzeugen Illusionen mit ganz besonderen Projektionen, sicher auch, um dem im Stück vorherrschenden raschen Ortswechsel Genüge tun zu können, aber vor allem, um an die Erfahrungswelten heutiger Kinder anzuschließen. Ich habe übrigens nach dem Durchlesen der Partitur, wie meistens bei meinen Arbeiten, sehr bald ein Schlussbild vor Augen gehabt, von dem wir dann weiterarbeiten konnten.
Das klingt spannend, auch für Erwachsene ...
Bryony Dwyer: Ich finde das Wort Kinderoper in diesem Fall ohnehin nicht optimal, da man gleich an etwas Simples, Vereinfachtes denkt. Familienoper wäre in meinen Augen das richtigere Wort ... sowohl hinsichtlich der Musik als auch der Produktion.
Matthias von Stegmann: Stimmt, der Begriff Familienoper ist sehr zutreffend. Und jeder Erwachsene, der im Herzen Kind geblieben ist und jene gewisse Naivität mitbringt, die ein Theatergänger ohnehin haben sollte, ist genauso ein willkommener Gast, der sich an der Aufführung erfreuen soll, wie das Kind an seiner Seite.
Letzte Frage: Das lange Haar der Persinette alias Rapunzel wird es geben?
Bryony Dwyer: Natürlich ... auch den obligaten hohen Turm ...
Matthias von Stegmann: ... und alles in einer, wie ich finde, modernen und zugleich schönen Umsetzung ...
Persinette
Auftragswerk der Wiener Staatsoper
Musik: Albin Fries
Uraufführung: 21. Dezember 2019
Reprisen: 22., 25., 29. Dezember 2019
Karten & Mehr