Berliner Lieder

An der Wiener Staatsoper war Angela Denoke unter anderem die Marschallin und die lustige Witwe, die Marietta in der Toten Stadt und die Jenůfa, Katerina Ismailowa und Elsa von Brabant, Salome, Arabella, Tatjana und Chrysothemis. Bei ihrem Chansons-Abend Wenn ich mir was wünschen dürfte zeigt sich die Sängerin von einer anderen, nicht opernhaften Seite: mit Liedern aus den 20er und 30er- Jahren!

Ihr Abend „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ ist das insgesamt dritte Lied-Programm, das Sie neben Oper und Kunstlied machen?

Angela Denoke: Es ist das Dritte in dieser Konstellation. Wobei sich die Programme ja gewissermaßen aus einander heraus entwickelt haben. Dieses letzte Programm ist für die Salzburger Festspiele, die uns gebeten haben, einen Abend rund um die Dreigroschenoper zu kreieren, entstanden. Wir haben uns dann im Laufe der Arbeit ein wenig von Weill wegbewegt – zuvor gab es ja einen reinen Weill-Abend – und haben eine Art Kaleidoskop dieser Zeit entwickelt.

Im Untertitel steht „Berliner Lieder und Chansons“. Ist das eine räumliche Verortung oder gibt es einen musikalischen Berliner Stil, dem gehuldigt wird?

Angela Denoke: Die 20er- und 30er-Jahre waren in Berlin eine sehr bewegte Zeit, auch in künstlerischer Beziehung. Es ist unglaublich viel passiert, viele Komponisten lebten und wirkten damals in dieser Stadt, es gab eine wache, lebendige Szene. Berlin war für die Kunst einfach ein zentraler Ort. Und das haben wir versucht, in den Liedern und in den gelesenen Texten aufzugreifen. Natürlich kommen in unserem Programm auch Lieder vor, die inhaltlich nicht direkt etwas mit Berlin zu tun haben – aber das Bezugszentrum bleibt diese Stadt. Und so haben wir dem Programm den Untertitel verpasst, um ihm auch im Titel eine Richtung zu geben.

Haben die Lieder auch eine politische Ausrichtung?

Angela Denoke: Ja, teilweise, denn der politische Aspekt ist enorm wichtig wie wir finden. Das Programm ist dennoch breit aufgestellt, es erzählt aus der Zeit. Manche Lieder handeln von Armut und Not, manche vom einfachen Leben, eben von der Zwischenkriegszeit, aber wir haben auch reine Unterhaltungslieder inkludiert.

Ist „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ das Kernlied, von dem alles ausgeht?

Angela Denoke: Wenn ich mir was wünschen dürfte ist ein sehr wichtiges Lied, das die Zerrissenheit im Lebensgefühl dieser Zeit aufzeigt. Man wusste nicht, ob man fröhlich oder traurig sein soll und fragte sich: Was genau soll ich mir eigentlich wünschen? Es ist ein besonders schönes, sehr melancholisches und dennoch hoffnungsvolles Lied. Dieses und das Lied Irgendwo auf der Welt haben wir ganz bewusst an das Ende des Programms gelegt.

Sind Sie bei der Auswahl der Lieder von der Textebene ausgegangen oder von einem übergreifenden musikalischen Bogen?

Angela Denoke: Beides. Der Entstehungsprozess war ja ein sehr interessanter. Ich habe das Programm gemeinsam mit meinem Pianisten Tal Balshai, der auch die Arrangements macht, für die Salzburger Festspiele entwickelt. Wir hatten eine Art Carte blanche und durften machen, was wir wollen, solange es zur Dreigroschenoper passt. Und so haben wir lange herumprobiert und vieles versucht. Auch Uwe Kraus, der die Texte liest, hat sehr geholfen und Impulse gegeben. Es war eine schöne, gemeinsame Arbeit.

Das klingt nach viel Herzblut. Finden Sie es schade, wenn dieser Entwicklungsprozess abgeschlossen und der Abend fertig ist?

Angela Denoke: Nein, weil wir immer gleich Ideen für etwas Neues haben. Wir sind ja schon am nächsten Programm dran, das eine ganz andere Richtung haben wird ...

Ist Ihnen dieses Lied-Repertoire der 20er- und 30er-Jahre eigentlich immer schon am Herzen gelegen? Oder entdecken Sie durch die Arbeit mit diesen Liedern diese Welt für sich?

Angela Denoke: Das Ganze ist eigentlich fast zufällig entstanden. Mit Elena Bashkirova habe ich in einem Kammermusikkonzert die Brettl-Lieder von Arnold Schönberg und als Zugabe drei Nummern von Friedrich Hollaender gesungen. Danach hieß es plötzlich: „So etwas musst du öfter machen!“ Ich hatte ohnehin den Wunsch, etwas in diese Richtung auszuprobieren und suchte nach möglichst jazzerfahrenen Musikern. Karl-Heinz Steffens, heute Dirigent, damals Klarinettist bei den Berliner Philharmonikern, der ebenfalls in diesem Konzertspielte, brachte mich mit Tal Balshai zusammen. Wir haben ganz locker mit ein paar anderen Musikern zusammen angefangen, einige Lieder dieser Zeit auszuprobieren und einen Abend zusammenzustellen. Diesen nannten wir Von Babelsberg bis Beverly Hills. Und so kam es zu dieser Arbeitsgemeinschaft – wie gesagt, ohne konkrete Vorgabe, sondern wirklich aus einer Laune heraus.

Haben diese Programme etwas mit der Opernsängerin Angela Denoke zu tun? Oder versuchen Sie das bewusst auszublenden?

Angela Denoke: Es hat mit der Oper gar nichts zu tun. Das Einzige: Ich kann meine ausgebildete Stimme nicht verleugnen. Manchmal wünschte ich mir bei diesem Repertoire allerdings, sie würde ein wenig mehr kratzen (lacht). Andererseits sind natürlich die Möglichkeiten, die meine Stimme durch die Ausbildung bietet, von Vorteil. Weil ich manches ganz fein und lyrisch machen kann, fast wie ein Kunstlied. Aber inzwischen haben wir einen ganz guten Weg gefunden, mit meiner Stimme umzugehen. Das hat einen gewissen Arbeitsprozess bedeutet: Balshai, der die Arrangements macht, fragt mich immer: „In welcher Tonart sollen wir es machen?“ Und dann probieren wir gleich fünf, sechs oder sieben durch, weil ich auf jeder Tonhöhe relativ problemlos singen kann. Und Balshai meint in solchen Fällen: „Ach, Angela, es ist schwierig mit dir! Bei anderen Interpreten passt oft nur eine Tonart – und die muss man dann nehmen. Bei dir geht so vieles und man kann sich nur schwer entscheiden, was man wählen soll!“ Grundsätzlich singe ich das ganze Programm in einer tieferen Lage, weil ich da mit dem Text mehr anstellen kann. Was sehr wichtig ist! Denn diese Lieder leben vom Text, von der Textgestaltung und dem Textverständnis und einer Freiheit im Umgang mit ihm.

Oliver Láng


Solistenkonzert KS Angela Denoke

Berliner Lieder und Chansons

Wenn ich mir was wünschen dürfte

16. Februar 2016