Auf der Couch mit Cap

Bei seinem ersten Opernbesuch, so erzählt er, wäre er etwa neun oder zehn Jahre alt gewesen. Der Eindruck: kein bleibender. Das echte Initiationserlebnis kam erst gut zehn Jahre danach, mit Richard Strauss’ Salome. Seither ist Oper ein Thema, und nicht nur ein Thema, sondern das Thema schlechthin. Und mehr noch: Alexander Medem, der Regisseur der Undine, die im Kinderopernzelt zur Premiere kommt, macht sich nicht nur Gedanken über seine Projekte, die Inszenierungen, die Werke, sondern auch darüber hinaus. Experimentell, im Kopf, schaut er über den Tellerrand und denkt über neue Formen des Musiktheaters nach: etwa in Form einer Fortsetzungsgeschichte, wie sie im TV allabendlich zu sehen ist.

Für solche (und auch alle anderen) Opernformen braucht es freilich ein entsprechendes, grundsätzlich an Oper interessiertes Publikum; und ein solches hofft Medem zu gewinnen, etwa mit der Undine. Undine? Das ist doch zunächst einmal der berühmte Stoff von de la Motte Fouqué, dann die bereits deutlich weniger bekannte Oper von Lortzing. Die aber, bei aller Märchenhaftigkeit, dann doch vier Akte umfasst, ein großes Orchester, eine ebenso große Bühne erfordert und somit für manche nicht kindgerecht scheint. Also wurde das Stück eingekürzt und auf einen knappen, einstündigen Einakter reduziert. Und in dieser Form, unter Beibehaltung des Märchencharakters, ist die Undine nun fit für das A1 Kinderopernzelt auf der Dachterrasse der Staatsoper. Der Kern der Oper wurde beibehalten: Hugo, der Mensch, trifft auf Undine, das empathische Wasserwesen, entscheidet sich für, dann gegen und schließlich wieder für sie. Wichtig ist dem Regisseur dabei, dass die Handlung durchaus mit Psychologie unterfüttert wird. Und wichtig ist ihm, dass die musikalischen Zentralmomente des Werkes auch in der Fassung für Kinder vorkommen: so etwa Undines Rezitativ und Arie „So wisse, dass in allen Elementen“, für ihn das Herzstück der Oper. „Da wird Undine musikalisch und textlich unglaublich wertvoll auf den Punkt gebracht!“ Methodisch arbeitet der Regisseur bei der Kinderoper nicht wesentlich anders als bei anderen Projekten: „Mein Grundansatz ist, die Lebhaftigkeit, Spontaneität und Verspieltheit zuzulassen und zu fördern. Und zu erreichen, dass die Sänger sich nicht so verhalten, dass man den Regisseur im Hintergrund merkt. Sondern meine Ansichten und Anleitungen bald unsichtbar, die Menschen hinter den Rollen spürbar werden.“ Spricht man mit Medem, so kehrt ein Thema mehrfach wieder: das Theater als Traumort, an dem eine andere Welt nicht nur möglich, sondern geradezu Wesenszug ist. Ein Kosmos, in den man sich hineinfantasieren kann und der dem Geist Türen öffnet. Und: Theater muss für ihn unabdingbar und im Innersten eine Einladung sein, seine Kindlichkeit wiederzuentdecken und auszuleben – und das nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, ganz im Sinne von Erich Kästners Ausspruch „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch“. So soll gerade im Theater die Realität mit anderen Augen gesehen werden können: eben auch verzaubert, voller Magie und Geheimnisse. Dieser Zugang scheint bei der Kinderoper zunächst einmal ein durchaus einfacher, da „Kinder manchmal offener sind und freier in ihrem Horizont“, meint Medem. „Eine Folie am Boden, die blau beleuchtet wird, ist – ganz klar – Wasser und wird von den Kindern auch als solches verstanden.“ Gleichzeitig aber weiß er, dass gerade das junge Publikum ein besonders anspruchsvolles ist und zum Beispiel Logikmängel wahrgenommen und auch hinterfragt werden. Dazu kommt auch noch eine alte Theaterweisheit: „Gerade das Einfache auf der Bühne, die einfache Rhythmik, die einfache musikalische Struktur sind oftmals letztlich schwieriger umzusetzen als etwas Komplexes, das aufgrund seines Aufbaus und seiner Struktur für sich spricht.“ Um an sein Ziel zu kommen, hat Medem keine Probleme damit, sich von der heutigen (filmischen) Jugendkultur inspirieren zu lassen: Peter Pans Nimmerland ist zumindest gedanklich nicht ganz von Undines Welt entfernt, und Captain Hook kann bei Kühleborn in Undine mitgedacht werden. Keine Kopien freilich, sondern eben nur Verwandte, die im selben Fantasiereich zu Hause sind wie Undine …

Oliver Láng


Dirigent der Premiere ist Johannes Wildner: Seine Zeit als Mitglied der Wiener Philharmoniker und des Orchesters der Wiener Staatsoper prägte seinen Dirigierstil. Er war u.a. Chefdirigent der Prager Staatsoper und Erster Ständiger Dirigent der Oper Leipzig. Er ist Professor für Dirigieren an der Musikuniversität in Wien. Auftritte führten in u.a. nach Tokio, Verona, Graz, Salzburg. Er dirigiert Orchester wie das London Philharmonic und das Royal Philharmonic Orchestra, die St. Petersburger Philharmoniker, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Dresdner Philharmoniker und die Wiener Symphoniker. Alternierend ist Witolf Werner als Dirigent zu erleben. Das Bühnenbild stammt von Agnes Hasun, die Kostüme von Constanza Meza Lopehandia.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn