© Alecsandra Dragoi

6 FRAGEN AN HUW MONTAGUE RENDALL, DEN NEUEN WIENER BILLY BUDD

Sie haben jüngst mit Contemplation eine wunderschöne neue CD herausgebracht und zeigen ihr auffallend breites Repertoire. Der Billy Budd wird aber ein weltweites Rollendebüt darstellen?

Ich habe mit meiner Stimme echt Glück gehabt und kann daher sehr unterschiedliche Komponisten und Rollen interpretieren. Von Britten sang ich bis jetzt allerdings nur Ned Keene in Peter Grimes – Billy Budd ist somit also tatsächlich eine ganz neue Partie für mich, mit der ich mich noch dazu in einem für mich neuen Haus vorstellen darf. Sehr spannend, wie man sich vorstellen kann. Andererseits sieht man am Billy Budd, dass Britten viel von Stimmen verstanden hat. An sich handelt es sich um eine lyrische Bariton-Rolle, aber immer dann, wenn es dramatischer wird, geht Britten in eine höhere Lage hinauf, sodass der Sänger sich von Haus aus leichter tut, noch mehr Substanz zu geben. Ein bisschen erinnert mich die Partie an den Pelléas von Debussy.

Von der Persönlichkeit scheint Billy Budd ein Engel auf Erden zu sein – oder ist er bloß naiv?

In erster Linie ist er die Verkörperung der absoluten Unschuld, zudem in höchstem Maße altruistisch. Als ihn sein Idol Kapitän Vere zum Tod verurteilt, trägt er ihm das nicht nur nicht nach, sondern pocht noch auf die allgemeine Loyalität Vere gegenüber. Und er macht sich Sorgen darüber, was mit seinen Freunden am Schiff passiert, wenn er ihnen nach seinem Tod nicht mehr helfend zur Seite stehen kann. Billy steht einfach für das vollkommen Reine, so wie Claggart für das Böse, den Hass steht. Die beiden bedingen einander und wenn man das Dunkle zerstören will, geht daher zwangsläufig leider auch das Helle verloren.

Fühlt sich Billy Budd schuldig, Claggart getötet zu haben?

Nein, er nennt diesen Totschlag – den ja Claggart selbst provoziert und herbeigeführt hat – einfach nur „Schicksal“. Und daher kann Billy auch Kapitän Vere nichts vorwerfen. Budds Position ist sehr klar: In dieser außergewöhnlichen Situation konnte er nicht anders, als Claggart zu erschlagen, und Vere konnte daraufhin nicht anders reagieren, als ihn zum Tod zu verurteilen. Beides scheint für Billy ein unveränderbares Naturgesetz zu sein.

Was charakterisiert Brittens Musik, mit welchem Komponisten ist er vergleichbar?

Einerseits ist er natürlich ganz einzigartig in seiner Klangsprache und damit unverkennbar. Andererseits erinnert Brittens Art, die Innenwelten der Figuren als einen Kosmos mit einer ganz konkreten Farbigkeit zu modellieren, sehr stark an Giuseppe Verdi.

Christa Ludwig betitelte ihre Biographie mit: „Ich wäre so gerne Primadonna gewesen.“ Wären Sie gerne ein Tenor geworden?

Nein, definitiv nicht. Die Fußstapfen meines Vaters wären zu groß gewesen. Ich bin ein hoher lyrischer Bariton – und das ist gut so.

Sie sind vergleichbar jung wie Billy Budd: Ist das Musikbusiness, das Opernbusiness nicht ähnlich gefährlich für einen Sänger, wie das Schiff Indomitable für Billy Budd? Wer beschützt Sie vor allen Verführungen und Abgründen in Ihrem Beruf?

Dieser Vergleich ist sehr zutreffend. Es gibt Konkurrenz, Neid und Eifersucht und auch solche, die sich über die Leistung anderer profilieren möchten. Man muss in diesem Beruf also lernen, sich mit Leuten zu umgeben, die in der Tat das Beste für einen selbst wollen und nicht ihr eigenes Ego über die Kunst stellen. Und man muss lernen, sich eine dicke Haut zuzulegen und auf sich aufzupassen. Mit der Zeit gelingt das aber auch.