2021 ein neues Kontrafagott
Im Jahr 2015 feiert Reinhard Öhlberger gleich zwei Jubiläen: zum einen vollendet er sein 40. Dienstjahr als (derzeit ältestes) Mitglied des Staatsopernorchesters, zum anderen wird er am 19. Jänner zum 200. Mal im Graben bei einer Salome- Vorstellung mitwirken und das berühmte, mehrere Takte umfassende Kontrafagott-Solo (nach dem Fluch des Jochanaan respektive vor dem Auftritt des Herodes) zum Besten geben. Nicht, dass Reinhard Öhlberger über alle seine Aufführungen genaue statistische Aufzeichnungen führen würde, aber dem Werk mit dem längsten und markantesten Kontrafagott-Solo gebührt natürlich eine gewisse Sonderstellung, also wurde verständlicherweise fleißig mitgezählt. Man kann sich vorstellen, wie viele Jochanaane in diesen 200 Vorstellungen ihr Haupt lassen mussten und vor allem wie viele unterschiedliche Dirigenten am Pult gestanden sind. Und dennoch, ganz ohne (positive) Spannung, ganz ohne einen Anflug von Lampenfieber wird auch dieses (in der Öffentlichkeit stattfindende) private Jubiläum nicht vorübergehen. „So ein wichtiges Solo, ganz gleich, ob in der Salome oder einem anderem Werk, erscheint einem am Morgen des betreffenden Aufführungstages wie eine am Horizont auftauchende große Mauer, die es zu überwinden gilt“, so Reinhard Öhlberger. „Und je näher der erwartete Moment kommt, desto gewaltiger ragt diese Mauer auf. Schließlich hört man die letzten Takte vor dem Einsatz und weiß, dass es wieder einmal so weit ist … und dann, dann nimmt man die Hürde, kommt gut drüber und empfindet den Stolz des Gipfelstürmers.“ Neben dem tiefen Kontrafagott, das Komponisten einerseits atmosphärisch als düster-dunkle Farbe in den Orchesterklang mischen, andererseits aber immer wieder gerne solistisch einsetzen (eben in der Salome zum Beispiel, oder auch im Wozzeck, in Palestrina), spielt Reinhard Öhlberger im Orchester auch das (höhere) eigentliche Fagott und somit gewissermaßen das „Familieninstrument“. Denn schon sein Vater Karl und sein Onkel Camillo waren Fagottisten des Staatsopernorchesters beziehungsweise der Wiener Philharmoniker gewesen – nichtsdestotrotz nahm Reinhard Öhlberger sozusagen erst über Umwege seine Fagott-Stelle im Orchester ein: Seine frühesten musikalischen Gehversuche unternahm er nämlich als Geiger – und erst als klar wurde, dass es mit diesem Instrument wohl nichts werden würde, schaute er sich bei den Blasinstrumenten um. Dieses Umschauen endete schließlich doch beim Fagott, das er daraufhin mit großer Freude „an die Brust nahm“. Denn ganz im Gegensatz zur Violine, machte ihm das Üben am Fagott nun so großen Spaß, dass er innerhalb kürzester Zeit – genauer, nach bereits einem Jahr! – erstmals professionell engagiert wurde: Als Kontrafagottist für drei Aufführungen von Haydns Schöpfung anlässlich des 130jährigen Bestehens des St. Pöltner Musikvereines. Und hierbei gab es nicht nur die Ehre des Mitspielendürfens, sondern auch Geld zu verdienen. 840 Schilling waren es, nicht eben wenig für einen Mittelschüler. Dies alles gab verständlicherweise zusätzlichen Auftrieb. Nichtsdestotrotz inskribierte Reinhard Öhlberger nach der Matura an der Wiener Universität, um zusätzlich ein Jus-Studium zu absolvieren (die erste Staatsprüfung legte er immerhin mit mehreren Auszeichnungen ab), das er jedoch letztendlich zugunsten des Fagottspiels abbrach. Quasi nach dem Motto „ich habe auch anderswo im Orchester gespielt“ trat er 1970 bei einem Probespiel für die Wiener Symphoniker an, gewann es und war mehrere Jahre lang Mitglied dieses Klangkörpers, ehe er im Februar 1975 nach einem erfolgreichen Probespiel in das Staatsopernorchester wechselte. Nun war Reinhard Öhlberger endlich am Ziel seiner Wünsche angelangt, denn als echtes ehemaliges Theaterkind (bereits als Vierjähriger hatte er des Öfteren auf der Hinterbühne diversen Vorstellungen gelauscht) und späterer Stehplatzler, zog es ihn geradezu zum Musiktheater hin, genauer in den Graben der Wiener Staatsoper. Da auch Reinhard Öhlbergers Ehefrau bis zu ihrer Pensionierung als Mitglied des Zusatzchores der Wiener Staatsoper im Haus am Ring künstlerisch tätig war, konnte er die Freude am Beruf gewissermaßen teilen und zu Hause, nach einer Vorstellung, trefflich bis in die Nacht hinein über den jeweiligen Abend, die jeweiligen Sängerinnen, Sänger oder Dirigenten diskutieren. Abschließend vielleicht noch ein Kuriosum zum Kontrafagott: Im Gegensatz zum eigentlichen Fagott Reinhard Öhlberges ist das Kontrafagott Eigentum des Orchesters und als solches, wenn auch noch einwandfrei funktionierend, doch schon recht betagt. Die Bestellung eines neuen Instrumentes bei der führenden Fagottbaufirma Wilhelm Heckel ist auch schon getätigt worden – doch auf Grund der enormen Nachfrage, dürfte die Lieferung erst 2021 erfolgen.
Andreas Láng
Prof. Reinhard Öhlberger studierte unter anderem an der Musikuniversität bei Karl und Camillo Öhlberger. 1975 kam er in das Staatsopernorchester, 1978 zu den Wiener Philharmonikern. Außerdem ist er Mitglied der Hofmusikkapelle und mehrerer Kammermusikensembles. Er ist Träger mehrerer Auszeichnungen, war langjähriger Kartenverwalter der Wiener Philharmoniker und ist Verfasser des Buches Wenn am Buch der Händler klebt.